Am Montag ist Niedersachsen genau fünfundsiebzig Jahre alt geworden. Die Gründung war keine demokratische Entscheidung, sondern eine Anordnung der britischen Militärverwaltung, die nach dem zweiten Weltkrieg in Norddeutschland das Sagen hatte. Aber es war eine sehr weise Entscheidung, wie die nachfolgenden Jahrzehnte gezeigt haben. Ein dreiviertel Jahrhundert Frieden, politische und persönliche Freiheit und – alles in allem – stetig wachsenden Wohlstand hat es vorher noch nicht gegeben. Wir haben also eine Menge Grund für Dankbarkeit und auch zum Feiern.

Aber lassen sich aus den seitdem gemachten Erfahrungen auch Lehren für die Zukunft ziehen? Aus meiner Sicht gibt es mindestens fünf Einsichten:

1. Frieden durch Demokratie
Am Anfang der niedersächsischen Landesgeschichte standen die verheerenden Folgen von Diktatur und Unterdrückung. Am Ende der Nazi-Herrschaft und des zweiten Weltkriegs befand sich Deutschland in jeder Hinsicht auf dem Tiefpunkt seiner Geschichte. Niedersachsen gehört zu den Gründungsländern der Bundesrepublik Deutschland. Seitdem leben wir in einer freiheitlichen und offenen, aber auch starken Demokratie. Das ist der beste Schutz vor Diktatur und Krieg.

2. Zukunft durch Europa
Über vierzig Jahre seiner Geschichte hatte Niedersachsen den längsten Abschnitt an der innerdeutschen Grenze. Der gesamte Osten unseres Landes befand sich in einer schier hoffnungslosen Randlage. Seit der friedlichen Revolution im Herbst 1989 ist das grundlegend anders, seitdem liegt Niedersachsen im Herzen eines vereinten und freien Europas und genießt dadurch viele Vorteile. Nationalismus widerspricht in jeder Hinsicht unseren ureigensten Interessen, wir haben die allerbesten Gründe dafür, begeisterte Europäerinnen und Europäer zu sein.

3. Dezentralität ist eine Stärke
Niedersachsen gab es vor seiner offiziellen Gründung niemals, es ist die Zusammenfassung von ehemals vier selbstständigen Ländern (Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe). Aber in diesem großen Land wäre Zentralismus ganz falsch, die Stärke dieses Landes beruht auf der Stärke unterschiedlicher Regionen, die durchaus sehr verschieden sind. Dezentralität ist ein Erfolgsrezept.

4. Eine offene Gesellschaft
Nach dem zweiten Weltkrieg kamen buchstäblich Millionen von Kriegsflüchtlingen und Vertriebenen nach Niedersachsen und auch danach immer wieder neue Gruppen aus den unterschiedlichsten Teilen Europas und der Welt. In den meisten niedersächsischen Familiengeschichten findet sich Zuwanderung auf die eine oder andere Weise wider. Geschadet hat es dem Land nicht, ganz im Gegenteil. Die Lehre daraus lautet: Für Ausländerfeinde, Rassisten und Extremisten ist bei uns kein Platz!

5. Zusammenhalten!
Niedersachsen seien dröge, meinen manche. Das ist natürlich Quatsch, aber vernünftig und gelassen sind schon sehr viele Menschen in Niedersachsen. Und Gemeinschaft ist ihnen wichtig, zu der auch alle ihren Beitrag leisten sollen. Das ist auch die Grundlage für den gemeinsamen Erfolg, wie wir zuletzt in der Pandemie gesehen haben. Die Zukunft bringt jede Menge Herausforderungen mit sich – der Klimaschutz, Globalisierung und Digitalisierung werden uns vieles abverlangen. Aber auch das ist eine der wichtigsten Lehren aus fünfundsiebzig Jahren: Wir können auch große Veränderungen meistern, wenn wir zusammenhalten. Darauf wird es ankommen!

Ich wünsche Euch eine schöne Woche.