Autor Sven Wieduwilt


Wer war Karl Stephan? Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hildesheim? „Senior des Unterbezirks“? Karl Stephan teilt das Schicksal vieler Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten sind.

1878 trat Karl Stephan der Sozialdemokratischen Partei bei, also zu einer Zeit, in der noch das sog. „Sozialistengesetz“ in Kraft war. Am 24. März 1928 war Karl Stephan 40 Jahre Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Das Hildesheimer Volksblatt, die SPD-Zeitung für Stadt und Land Hildesheim, würdigte ihn anlässlich dieses Jubiläums. „Anläßlich dieses Jubiläums geziemt es sich, dem verdienten Genossen und Förderer der sozialistischen Idee Worte des Dankes zu sagen für seine hingebungsvolle Arbeit in der Bewegung und sein unermüdliches Wirken im Preußischen Landtage, bei dem er stets bestrebt war, seinen Wahlkreis nach jeder Richtung hin zu fördern.“ (Hildesheimer Volksblatt, 24. März 1928).

Geboren wurde Karl Stephan am 16. November 1863 in Harburg – als Sohn eines Schuhmachers und späterem Gummiarbeiters, wie das Hildesheimer Volksblatt berichtete. Er besuchte die Volksschule, kam später nach Freden und Hannover, absolvierte die Lehre bei einem Maler. Später besuchte er eine Fortbildungsschule und eine Kunst- und Gewerbeschule. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er in Hildesheim die Unterhaltspflicht für seine Mutter und seine drei jüngeren Geschwister.

Das Sozialistengesetz und die Reichstagswahlen 1887 waren Grund und Anlass für sein Engagement für die Sozialdemokratie. „Das Sozialistengesetz und die Reichstagswahlen im Jahr 1887 veranlaßten den jungen Malergesellen, sich auch politisch zu betätigen“, so das Hildesheimer Volksblatt in seiner Würdigung im März 1928. Dort wurde auch noch einmal angedeutet, was es hieß, sich zu der Zeit politisch in der Arbeiterbewegung zu engagieren. „Was es heißt, vor, während und nach dem Sozialistengesetz sozialdemokratische Propaganda zu treiben, wissen nur noch die, die es selbst mitgemacht haben und dabei die Schikanen des Polizeistaates über sich ergehen lassen mußten.“

In Hildesheim leitete er die „Wahlagitation“, so die Formulierung im „Volksblatt“, übernahm den Vorsitz im Wahlkomitee, war seit der Aufhebung des „Sozialistengesetzes“ seit 1890 Vorsitzender der SPD in Hildesheim und der SPD-Wahlkreisorganisation Hannover 10, wirkte später auch an der Gründung des Konsumvereins mit, wo er auch den Vorsitz im Aufsichtsrat wahrnahm.

Nach dem 1. Weltkrieg, in dem er einen Sohn verlor, und dem Sturz der Monarchie übernahm Karl Stephan Verantwortung im Hildesheimer Arbeiter- und Soldatenrat. Für diesen nahm er auch als Delegierter am ersten Arbeiter- und Soldatenkongress in Berlin teil.

Bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung, die im Januar 1919 stattfand, wurde er als Abgeordneter für den Wahlkreis 16, der damals die Regierungsbezirke Hannover, Hildesheim, Lüneburg umfasste, gewählt. Von 1921 bis 1933 vertrat er im Preußischen Landtag den Wahlkreis 16/Süd-Hannover.

Karl Stephan wurde nach 1919 außerdem Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hildesheim – in Fortsetzung seiner Funktion als Vorsitzender der Wahlkreisorganisation. Die Organisation der SPD in den Jahren der Weimarer Republik ging auf den Parteitag der SPD in Weimar zurück. Hier trat vom 10. – 15. Juni 1919 der SPD-Parteitag das erste Mal nach Ende des Ersten Weltkrieges zusammen. Die Straffung der Organisation und die entsprechende Änderung des Organisationsstatuts standen auf der Tagesordnung. Die gesellschaftliche Situation der Gegenwart aber auch der vergangenen Jahre hatte nicht nur Auswirkungen auf die Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sondern auch auf deren Organisation. Die Schaffung von Unterbezirken gehörte dazu.

Die Funktion des Unterbezírksvorsitzenden übte Karl Stephan bis 1933 aus. Noch auf dem Unterbezirksparteitag am 18. Januar 1933 – also im Angesicht des drohenden Faschismus – wurde er als Unterbezírksvorsitzender wiedergewählt. Gleichzeitig wurde er für den Unterbezirk Hildesheim in den Bezirksvorstand Hannover delegiert.

Vor dem Faschismus hatte Karl Stephan bereits zwei Jahre vorher - beim Unterbezirksparteitag 1931 – gewarnt. In seiner Eröffnungsrede wies er auf die Bedrohung hin: „Wir sehen heute schärfer wie je, daß alles, was nicht mit uns, gegen uns ist. Alle Kräfte haben sich verschworen, den Sozialismus dem Untergang zu weihen. Die Errungenschaften in sozialer Beziehung, die sich das Arbeitsvolk in jahrzehntelangem Kampf errungen, sollen ihm wieder entrissen werden. Dagegen wehren wir uns. Unser Kampf geht um die heiligsten Volksrechte, um die Erhaltung der Demokratie, um die Weimarer Verfassung, um das parlamentarische System, um die republikanische Staatsform“ (Hildesheimer Volksblatt, 30. März 1931). Und beim Unterbezirksparteitag 1933 betonte er: „Aber jetzt ist die Stunde gekommen, wo sich die gesamte Reaktion, die geschworenen Feinde der deutschen Arbeiterklasse, zusammengetan haben, um so oder so die Macht an sich zu reißen“ (Hildesheimer Volksblatt, 20. Februar 1933).

Bei der Wahl zum Preußischen Landtag am 5. März 1933 kandidierte Karl Stephan erneut und wurde wieder Abgeordneter des Preußischen Landtages. „Im Preußischen Landtag der 5. Wahlperiode gehörte er keinem Ausschuß mehr an. Am 19.5.1933 schied er aus der Fraktion der SPD aus. 1933 wurde er polizeilich überwacht“ (Herlemann, Beatrix, Biographisches Lexikon niedersächsischer Parlamentarier 1919-1945, Hannover 2004, S. 350)