So, die Festlichkeiten zum 75. Geburtstag des Landes Niedersachsen sind nun vorbei. Die Resonanz war übrigens sehr gut, die Mischung aus Selbstbewusstsein und einer gehörigen Portion Selbstironie ist offenbar angekommen. Interessanterweise hatte ein Programmpunkt ein besonderes Echo: Auf dem Festakt am Montag hielt der Schriftsteller Navid Kermani eine Festrede zum Thema Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Völlig fehl am Platze? Am Anfang konnte sich das Publikum tatsächlich keinen rechten Reim auf eine solche Festrede machen, aber das änderte sich dann immer mehr, je länger Kermani sprach. Die Gründung Niedersachsens ist nämlich mitnichten eine demokratisch legitimierte Entscheidung gewesen, es war die Entscheidung der britischen Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg – und eine sehr weise Entscheidung, wie sich gezeigt hat. Und von diesem Ausgangspunkt ist es dann tatsächlich nicht mehr so weit nach Afghanistan und anderen Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr müssen wir uns tatsächlich schwertun, unabhängig von der Meinung, die wir am Ende haben. Natürlich war es für den Westen beschämend, wie die Mission in Afghanistan nach zwanzig Jahren zu Ende gegangen ist. Sang- und klanglos ist da noch eine grobe Untertreibung und vor allem das Schicksal der zurückgebliebenen Ortskräfte ist dafür das schlimmste Beispiel. Und das war nun das Ergebnis von so vielen Jahren, von so vielen Opfern und auch Toten? Ist das nicht der endgültige Beweis, dass die Bundesrepublik die Finger von solchen Militäreinsätzen lassen muss?

Ja, so kann man denken. Aber was ist mit den Millionen von Menschen, vor allem der Frauen, die durch dieses Engagement endlich Perspektiven bekommen hatten und jetzt wieder Menschen zweiter Klasse sind? Und darf sich eine Weltgemeinschaft damit abfinden, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Ja, ich weiß auch, dass am Anfang der Afghanistan-Mission der Kampf gegen Osama bin Laden und den Terrorismus stand und Moral in der internationalen Politik meistens nicht im Vordergrund steht. Auch der Kampf der Alliierten gegen die deutsche Aggression im Zweiten Weltkrieg war zuerst ein Kampf für die eigene Sicherheit, aber er beendete am Ende unter größten Opfern das Massenmorden der Nazis und dafür müssen gerade wir in Deutschland bis heute tief dankbar sein.

Es gibt keine einfachen Antworten in diesem Dilemma, nicht ein vorschnelles Engagement, aber eben auch nicht eine kategorische Ablehnung jedweder Einsätze dieser Art – zu diesem Resultät kam Navid Kermani am Ende seiner Überlegungen. Es bleibt eine enorm schwierige Abwägung und am Ende einer der wahrscheinlich schwierigsten Entscheidungen, die sich der Politik stellen können. Aber schwer machen müssen wir es uns in jedem Fall und dürfen nicht die Augen zumachen vor der Situation von Menschen jenseits unserer Grenzen. Danke, Navid Kermani, für einen sehr wichtigen Beitrag aus Anlass eines eigentlich durch und durch schönen Landesjubiläums!

Ich wünsche Euch eine gute Woche.