Koalitionspoker

„Der Vorhang fällt und alle Fragen offen“ – in vielen Lebenslagen findet sich in Goethes Faust das passende Zitat. Zum Beispiel für die politische Lage nach den Bundestagswahlen, wo eine Woche später noch nicht klar ist, wer mit wem wann über die Bildung der nächsten Bundesregierung verhandeln wird.

Nun ist eine Woche keine lange Zeit und vielleicht hilft etwas mehr Geduld am Anfang, dass es hinterher wesentlich schneller geht. Zur Erinnerung: Beim letzten Mal hat die Regierungsbildung sage und schreibe sechs Monate gedauert, weil zuerst über eine Jamaika-Koalition verhandelt worden war. Vor allem wegen Gegensätzen zwischen F.D.P. und Grünen kam diese Verbindung aber nicht zustande und es folgten sehr zähe Verhandlungen über eine GroKo. Die Geduld und die Nerven der Bürger sind damals enorm strapaziert worden, ein sehr schlechtes Beispiel für eine Regierungsbildung also.

Daraus zu lernen, sollte das Ziel für die jetzt nach den Wahlen 2021 anstehenden Verhandlungen sein. Unter diesem Gesichtspunkt ist es vielleicht gar nicht verkehrt, dass in der vergangenen Woche zunächst einmal die beiden kleineren Partner eines künftigen Dreier-Bündnisses miteinander gesprochen haben. Alles, was Vertrauen unter Koalitionspartnern schafft, hilft am Ende, das ist jedenfalls eine meiner Erfahrungen mit solchen Verhandlungen.

Die entscheidende Frage ist aber noch offen – Wer wird der dritte im Bunde und wer wird Bundeskanzler? Bei allem Respekt für das Abschneiden von Liberalen und Grünen, SPD und Union haben deutlich mehr Stimmen erhalten. Allerdings unter sehr verschiedenen Vorzeichen, denn die CDU/CSU verzeichnet historisch hohe Verlust und die SPD starke Zugewinne. Schon daraus ergibt sich, wen die Wählerinnen und Wähler mit der Führung einer neuen Regierung beauftragen wollten. Und die Umfragen nach den Bundestagswahlen bestätigen diese Aussage noch einmal drastisch: Gewünscht wird nach den Wahlen eine Ampel-Koalition unter der Führung von Olaf Scholz.

Jedes anderes Regierungsbündniss würde in der Bevölkerung auf massives Unverständnis stoßen, zumal in der Union jetzt erkennbar erst einmal jede Menge intern zu klären ist. Und deswegen spricht sehr viel dafür, dass anstehende Koalitonsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und F.D.P. zu führen sind. Je eher es damit los geht desto besser, denn dann fängt die eigentliche Arbeit ja erst an. Dass in Deutschland unübersehbar Modernisierungsbedarf bedarf besteht, liegt auf der Hand. Klimaschutz und Digitalisierung müssen vorangetrieben werden, viele Verfahren müssen beschleunigt, sozialen Schieflagen beseitigt werden und vieles andere mehr. In den nächsten Jahren geht es unbestritten um wichtige Weichenstellungen für die Zukunft.

Die nächste Bundesregierung muss eine Reformregierung werden, das ist die Chance einer neuen Formation in der Bundesregierung und auch ihre Pflicht. Mit Olaf Scholz steht dafür der richtige Regierungschef zur Verfügung. Hoffen wir, dass es zügig daran geht, die weiteren Puzzle-Steine auf dem Weg zu einer Regierungsbildung zusammen zu fügen.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.