Unser Anspruch: Eine Willkommenskultur für Flüchtlinge
Ich möchte zu Beginn des Jahres 2015 auch die Gelegenheit nutzen, um an das Jahr 1945 zu erinnern. 1945 endete im Mai der 2. Weltkrieg. Und: Die barbarischen Verbrechen des Nationalsozialismus wurden durch den Sieg der Alliierten beendet. Die barbarischen Verbrechen mit millionenfachen industriellen Mord – insbesondere an Juden, Sinti und Roma. Barbarische Verbrechen, Verfolgung, Folter und Ermordung, die dazu führten, dass viele Menschen Deutschland verließen, oftmals verlassen mussten und gerade noch verlassen konnten, um ihrer Verfolgung und Ermordung zu entgehen: Juden, Christen, Sozialdemokraten und Kommunisten, Gewerkschafter und viele andere, die in den Jahren 1933 bis 1945 in den USA, in Großbritannien und auch anderen Ländern einen sicheren Heimathafen gefunden hatten. Viele kehrten nach 1945 nach Deutschland zurück, andere fanden dort ihre Lebensperspektive.
Nicht nur, aber auch vor diesem historischen Hintergrund ist es unsere gemeinsame Aufgabe und Verantwortung, dazu beizutragen, die heutigen Flüchtlinge bei uns angemessen aufzunehmen, zu zeigen, dass sie willkommen sind, und ihnen eine Perspektive zu geben – für ein langfristiges Leben bei uns oder auch für eine Rückkehr in ihre Heimatländer, um dort ihr Leben fortzusetzen und am Aufbau neuer gesellschaftlicher Strukturen mitzuwirken. Deshalb haben wir den Anspruch, hier bei uns in Niedersachsen (und auch Deutschland) eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu schaffen.

Mit diesem Anspruch ist die rot-grüne Landesregierung 2013 angetreten und Niedersachsen ist hierbei auf einem guten Weg: Wir haben 2014 die Migrantenselbstorganisationen in die strukturelle Förderung durch das Land Niedersachsen aufgenommen, auch der Niedersächsische Flüchtlingsrat wird wieder gefördert. Das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge Niedersachsen (NTFN) bekam 2014 eine Anschubfinanzierung für den Aufbau eines Trauma- und Kriseninterventions-zentrums. Und in den Flüchtlingserstaufnahmeeinrichtungen konnten zusätzliche Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eingestellt werden.
Mit dem Landeshaushalt für das Jahr 2015, den wir im Dezember auf den Weg gebracht haben, setzen wir – die rot-grüne Landesregierung und die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen - den Weg fort: Wir haben als Initiativen das Modellprojekt zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen ohne definierten Aufenthaltsstatus, die Erhöhung der Mittel für das Krisen- und Traumazentrum, in dem traumatisierte Flüchtlinge und Folteropfer behandelt und betreut werden, und auch die Übernahme von Krankenkosten für syrische Flüchtlinge auf den Weg gebracht.
Gleichzeitig ist aber auch die Betreuung und die Integration von Flüchtlingen für die Kommunen eine wichtige Aufgabe, oftmals Herausforderung. Ich freue mich, dass auf Bundesebene eine Einigung möglich war. In den kommenden zwei Jahren stehen Niedersachsen jährlich 45 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung. 40 Millionen davon gehen jährlich an die Kommunen. Hiermit wird die Kostenabgeltungspauschale zusätzlich erhöht. 5 Millionen verbleiben beim Land Niedersachsen für die Errichtung eines vierten Standortes der Landesaufnahmebehörde. Die Errichtung einer fünften Einrichtung ist im Gespräch. Eine wichtige Unterstützung und Entlastung für unsere Kommunen!
Wir müssen mit denen, die vor Ort Verantwortung tragen, und denen, die sich in vielfacher Weise ehrenamtlich in der Flüchtlingspolitik einbringen, ins Gespräch kommen bzw. im Gespräch bleiben! Dort vor Ort müssen wir Unterstützung und Hilfe geben. Ich habe deshalb einen „Flüchtlingsgipfel“ gefordert, um mit diesen Entscheidungsträgerinnen und –trägern in Politik, Kirchen, Vereinen, Verbänden und anderen Organisationen an entsprechenden Konzepten zu arbeiten. Das sind die Herausforderungen, wo die Bevölkerung von uns Antworten und Lösungen erwartet.
Wir sind mit der Schaffung einer Willkommenskultur noch nicht am Ende, aber wir haben wichtige Schritte unternommen. Mir ist wichtig, dass eine Willkommenskultur nicht per Knopfdruck geschaffen werden kann. Das Land und die Politik können Schritte unternehmen, können Unterstützung geben und eine Vorreiterrolle übernehmen. Aber eine Willkommenskultur liegt in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft.
Ich will in diesem Zusammenhang auch die Anti-Islam-Demonstrationen nicht unerwähnt lassen. Wir dürfen den Nazis in Nadelstreifen keine Gelegenheit geben, mit den Ängsten und Verunsicherungen, die unumstritten da sind, auf Menschenfang für ihr braunes Gedankengut zu gehen. Wir müssen noch mehr aufklären und wir müssen diese Ängste ernstnehmen. Und ich freue mich, dass es in diesem Land viele Menschen gibt, die gegen die Anti-Islam-Demonstrationen auf die Straße gehen und deutlich, dass dieses Land ein weltoffenes Land ist und bleibt.