„6 Fragen – 6 Antworten“ – Interview mit Thorben Albrecht, Bundesgeschäftsführer der SPD
#SPDerneuern- so die Überschrift des Arbeitsprogramms, das vom Parteitag im Dezember 2017 beschlossen wurde. Was sind die nächsten Schritte in diesem Prozess?
Das Herzstück dieses Prozesses ist die programmatische Erneuerung unserer Partei. Wir wollen bis 2020 Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit liefern, die klar und verständlich sind und eine eindeutige sozialdemokratische Handschrift tragen.
Im Parteitagsbeschluss wurden vier zentrale Themenbereiche festgelegt, in denen die programmatische Erneuerung aufgesetzt wird. Für jedes dieser Themenfelder wurde eine Lenkungsgruppe von je 5 Personen eingesetzt. Dabei haben wir uns viel externe Expertise in die Lenkungsgruppen geholt. Es wurden Impulspapiere zu den vier großen Themen erarbeitet, am 25.Juni im Parteivorstand diskutiert und als Diskussionsgrundlage an die Partei verschickt.
Jetzt startet bis zum Herbst eine Debatte in den Gliederungen, den Arbeitsgemeinschaften und überall da, wo Genossinnen und Genossen zusammenkommen und über Inhalte der SPD diskutieren. Einzelne Gliederungen können Themenpatenschaften übernehmen, wenn sie sich in einem Bereich besonders engagieren möchten. Wir freuen uns auf eine rege Debatte. Unter https://www.spd.de/lust-auf-morgen/ findet mal alle wichtigen Informationen zur programmatische Erneuerung.
Am 10. und 11. November machen wir anschließend ein Debattencamp in Berlin, bei dem wir Diskussionsbeiträge vorstellen und weiterentwickeln. Dabei werden aus Impulsen Thesen, mit denen wir dann im nächsten Schritt in die Regionen gehen. Der Prozess ist angelegt bis zum Bundesparteitag 2019. Dort sollen die Ergebnisse der Debatten in sozialdemokratische Politik übersetzt werden.
Mit dem Mitgliedervotum und dem dazugehörenden Prozess waren in unserem Unterbezirk vielfältige, spannende und auch öffentliche Veranstaltungen und Mitgliederversammlungen verbunden. Die Partei diskutierte unheimlich lebhaft, engagiert und politisch – und das nicht nur bei uns. Wie gelingt es, diesen Schwung und diese Lebendigkeit fortzuführen?
Die Diskussionen um das Mitgliedervotum haben gezeigt, wie lebendig und engagiert die SPD in ihren Gliederungen diskutiert. Wir sind hier gemeinsam in der Verantwortung, diesen Schwung aufzunehmen. Viele Mitglieder formulieren, dass ihnen vor Ort die Gelegenheit für die Diskussionen fehlt. Es kommt darauf an, deutlich zu machen, dass die Ergebnisse einer Diskussion Bedeutung haben. Deshalb haben wir den Erneuerungsprozess auch als Prozess in der ganzen Partei geplant. Diskussionen vor Ort sind wichtig und die Ergebnisse werden in die weitere Diskussion einfließen.
Mitgliedervoten als Möglichkeit der Mitgliederbeteiligung sind sicherlich eine Möglichkeit, bieten aber nur die Option der Abstimmung mit Ja oder Nein. Gibt es weitergehende Überlegungen, die Mitgliedschaft stärker in die Meinungsbildung einzubeziehen?
Wir haben bereits damit begonnen, die Möglichkeiten für eine Beteiligung der Mitglieder auszuweiten. Zum Beispiel wollen wir jetzt regelmäßig Befragungen durchführen. Die erste haben wir bereits erfolgreich und mit interessanten Ergebnissen durchgeführt. Wichtig ist dabei, dass alle von den Ergebnissen profitieren. Deshalb haben wir die Auswertungen ebenfalls unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Das werden wir jetzt regelmäßig machen. Und wir gehen beim Debattencamp einen neuen Weg: Jedes Mitglied kann einen Vorschlag für das Programm des Debattencamps am 10./11. November 2018 machen. Aus diesen Vorschlägen entsteht dann das Programm. Ich bin schon sehr auf die Vorschläge unserer Mitglieder gespannt. Meine Hoffnung ist, so die Breite der Diskussionen in der SPD auch auf dem zentralen Camp sichtbar zu machen. Infos dazu haben wir auf spd.de eingestellt und ihr seid herzlich eingeladen und aufgefordert euch zu beteiligen.
Erneuerung meint zum einen organisatorische Erneuerung und Modernisierung. Die Programmpartei SPD muss aber natürlich auch über Inhalte reden. Wo siehst Du, vielleicht auch mit kritischem Blick auf die zurückliegenden Jahre, Handlungs- und Diskussionsbedarfe?
Wir wollen unsere Politik kritisch hinterfragen, Widersprüche auflösen und programmatische Lücken füllen. Wir wollen so zu einem Programm kommen, das auf die großen Fragen der Zeit, die die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bewegen, klare sozialdemokratische Antworten liefert.
Die Böckler-Stiftung hatte im letzten Jahr den Abschlussbericht der Kommission „Arbeit der Zukunft“ vorgelegt. Ein spannendes Papier. Ihr hattet als BMAS den Dialogprozess "Arbeiten 4.0" zu Fragen der Digitalisierung und ihren Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Arbeit. Auch mit Blick auf Bundesparteitage und unsere Beschlusslagen: Täuscht der Eindruck oder finden solche wichtigen Debatten kaum Niederschlag und Wiederhall in unserer Partei? Und wenn das so ist, wie lässt sich das ändern?
Spannende Debatten aufzunehmen, Experten aus anderen Bereichen einzubeziehen, die Türen der Partei zu öffnen – das ist wichtig bei unserem Diskussionsprozess. Nur so kommen wir zu neuen Ideen, wie wir unsere Grundwerte in zukunftsfähige Antworten übersetzen. Auch deshalb setze ich große Hoffnungen in den Erneuerungsprozess.
Der Unterbezirk Hildesheim hatte sich bereits 2015 für die Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogrammes ausgesprochen. Der Beschluss des Bundesparteitages von Dezember 2017 nennt ein neues Grundsatzprogramm als eine Option? Wie ist Deine Einschätzung: Ist das Hamburger Programm aktuell genug, um als programmatische Leitplanke zu dienen?
Ich denke, wir sollten zunächst Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit in einer Perspektive auf die nächsten 10 bis 20 Jahre entwickeln. Als Grundlage für unser nächstes Wahlprogramm, aber auch um zu überprüfen, ob unser Grundsatzprogramm noch zeitgemäß ist.