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150 Jahre SPD

Wissen wohin man geht, im Wissen woher man kommt. Politik braucht eine Leitlinie. Nur wer die Ziele seiner Politik klar benennen kann, wird seine Ziele auch erreichen. Deshalb ist Geschichte für uns wichtig.

Am 23. Mai 2013 konnte die Sozialdemokratie auf 150 Jahre Parteigeschichte zurückblicken. Verbote, Verfolgung und Exil, Erfolg und Niederlagen, mehr als einmal zu Unrecht totgesagt. Die SPD blickt auf eine bewegte Geschichte zurück.

Ferdinand Lasalle gründete am 23. Mai 1863 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein. Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein vereinigte sich 1875 in Gotha mit der 1869 in Eisenach gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, die sich 1890 in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannte.

Die Geschichte der SPD ist untrennbar verbunden mit der Erinnerung an die Orte, die Mittel- und Ausgangspunkte der Aktivitäten der Genossinnen und Genossen in den Ortsvereinen waren.

Der Aufstieg der Sozialdemokratie in den 90-iger Jahren des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist auch in vielen Städten mit den Volkshäusern und Volksheimen verbunden. Bei der Reichstagswahl 1890 wurde die SPD erstmals wählerstärkste Partei mit 19,7 % bzw. 1.427.000 abgegebenen Stimmen. Der Durchbruch als Massenbewegung war gelungen, das Vertrauen in die SPD war gestiegen, das sozialdemokratische Milieu vertieft und es hatte sich als stabil genug erwiesen, auch zwölf Jahre Sozialistengesetz erfolgreich zu überstehen.

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Auch Alfeld ist seit der Industrialisierung sozialdemokratisch geprägt. Die Geschichte des ehemaligen Gewerkschaftshauses an der Winzenburger Straße ist ein Stück Arbeiterbewegung in Alfeld. Hier wurde zum Beispiel am 28.08.1945 die Alfelder SPD wiedergegründet.

Es war ein Stück Gegenkultur, die in den Volkshäusern ihren Platz fand. Die von der politischen Mitgestaltung ausgeschlossene und gesellschaftlich diskriminierte Arbeiterbewegung schaffte sich eine eigene Welt, die mehr war als ein Ort für eine politische Heimstatt der Jugendorganisationen, der Theater- und Gesangvereine, von Umfeldorganisationen, die sich aus der Arbeiterbewegung heraus gebildet hatten, wie der Arbeiterwohlfahrt und Arbeitersportvereine.

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Ein neuer Treffpunkt, hier die Ansichtszeichnung. Bauakte Stadt Alfeld (Leine)

„Mit der Errichtung des projektierten Vereinshauses der hiesigen Saalbaugenossenschaft dürfte schon binnen kurzer Zeit begonnen werden. Das von der genannten Genossenschaft käuflich erworbene Hausgrundstück Winzenburger Straße 21 soll zu diesem Zwecke einem gründlichen Umbau unterzogen werden“, so die Alfelder Zeitung vom 29.05.1907.

Wenn die Finanzen es erlaubten entscheiden sich die Baugenossenschaften und Bauvereine für einen Neubau im Zentrum der Stadt. Das gelang allerdings selten, es waren meist Randlagen zur historischen Innenstadt, wie zum Beispiel in Alfeld.

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Die "Kiste" Foto aus den 50er Jahren. alt-alfeld

Der Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung wurde von der Baugenossenschaft für Alfeld und Umgebung e.G.m.b.H wurde am 01.07.1907 gestellt, die Baugenehmigung am 06.05.1908 erteilt, die Schlussabnahme erfolgte am 13.11.1908. Eingeweiht wurde das Haus am 14.11.1908.

Imposante Einweihungsfeier und Freude über das eigene Heim
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch eine Rede des Genossen Nau und einige Festlieder des Arbeitergesangvereins.
Danach ergriff Genosse Rauch aus Limmer das Wort und machte insbesondere den anwesenden Frauen und Mädchen den besonderen Wert der Arbeiterorganisatoren klar. Der Wirt, August Merges, Schneidermeister aus Delligsen, sprach ebenfalls zu den Versammelten. Merges wurde 1918 zum Präsidenten der Provinz Braunschweig gewählt.

Mit dem Ende des ersten Weltkrieges ermöglichten die nunmehr demokratischen Freiheiten Veranstaltungen ohne Einschränkungen.

Zum Beispiel die öffentliche Volksversammlung am 12.11.1918, zu der der in Alfeld neugegründete Arbeiter- und Soldatenrat am 12.11.1918 durch eine Anzeige aufgerufen hatte oder die Generalversammlung des Konsumvereins für Alfeld und Umgebung am 20.10.1918 sowie eine Krieger-Heimkehr-Feier am 01.12.1918.

Breiten Raum in den Diskussionen nahm auch die Änderung des Ortsstatuts ein, das dem nunmehr geltenden Wahlrecht angepasst werden müsste.

Was mit Abänderung des Wahlrechts umschrieben wurde, war in Wirklichkeit die von den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie lange geforderte Abschaffung des „Dreiklassenwahlrechts“ und die Einführung des Frauenwahlrecht.

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Trommler- und Pfeifenclub. Frisch, Fromm, Treu, Stark

Mit der Errichtung des Vereinshauses fanden Sozialdemokratie, mit ihnen Gewerkschaften und alle sozialdemokratisch ausgerichteten Organisationen, wie zum Beispiel Konsumgenossenschaften eine Heimstatt.

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Ansichtszeichnung 1924. Bauakte der Stadt Alfeld (Leine)

Wie man der Bauakte der Stadt Alfeld (Leine) entnehmen kann, beabsichtigte der Verein Solidarität 1924 das Vereinshaus zu erweitern. Der Bauantrag wurde am 05. Juli 1924 bei der Stadt gestellt. Als Gründe führte der Verein an, dass die Verbands- und Sitzungsräume im alten Gewerkschaftshaus für die verschiedenen Berufsverbände hinsichtlich Zahl und Größe völlig unzureichend seien, sodass eine sofortige bauliche Erweiterung in dieser Beziehung unbedingt erfolgen müsste.

Nach den Bauunterunterlagen umfasste die Baumaßnahme im Erdgeschoss den Umbau der Gaststätte, Schaffung von Büroräumen und Sitzungszimmer. Im Obergeschoss waren die Neueinrichtung einer Bühne, Ankleideraum, Requisitenraum an den vorhandenen Saal geplant. Die Kapazität des Saales betrug 410 Personen, davon waren 240 Sitzplätze. Architekt für die Baumaßnahme war Fritz Roediger. Die Baugenehmigung erfolgte am 12. August 1924, die Schlussabnahme am 22.10.1925.

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1. Mai 1933 Naziaufmarsch auf dem Marktplatz. alt-alfeld

Nach dem Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte, nahmen die katastrophalen, ja beispiellosen Gräuel der nationalsozialistischen Terrorherrschaft ihren Anfang. In der Folge wurden am 02.05.1933 zwischen 10 und 11 Uhr sämtliche Gewerkschaftshäuser der freien Gewerkschaften in Deutschland von SA und SS besetzt und alle Führer der Gewerkschaften in Schutzhaft genommen.

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Alfeld unter dem Hakenkreuz. alt-alfeld

Die Alfelder Zeitung berichtet dazu in ihrer Ausgabe vom 03.05.1933 „Einen derartig langen Festzug hat Alfeld noch nicht gesehen. Nach vielen Schätzungen und genau überprüften Zählungen nahmen etwa 2800 bis 3000 Personen teil…..Auf dem Marktplatz hatten sich inzwischen weitere Menschenmassen versammelt, so daß man nach dem Eintreffen des Zuges auf insgesamt 5000 Personen schätzen durfte…..Mit einem dreifachen „Siegheil“ schloß Kreisleiter Koch die Kundgebung, die größte, die Alfeld jemals erlebt hat.“

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Maifeier 1933 – Die größte Veranstaltung die Alfeld jemals erlebt hat. alt-alfeld

Im Gegensatz zur Berichterstattung über die offizielle Maifeier fiel die Berichterstattung über die Besetzung des Gewerkschaftshauses „dürftig“ aus, was offensichtlich mit der schon existierenden Zeitungszensur zusammenhing. Sozialdemokratische und kommunistische Zeitungen waren zu diesem Zeitpunkt bereits verboten.

Mit der Zerschlagung der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie sowie der Beschlagnahmung des Gewerkschaftshauses ging auch in Alfeld eine jahrzehntelange Tradition der Arbeiterbewegung zu Ende. Das „Vereinshaus oder die „Kiste“ existierte nicht mehr.

Erst am 1. Juli 1958 wurde das neue Gewerkschaftshaus an der Gudewillstraße eingeweiht. Mittlerweile hatten sich mit der Bildung der Einheitsgewerkschaften und durch die politische Öffnung der SPD die gemeinsamen Wege getrennt. Vor einigen Jahren wurde aus organisatorischen Gründen innerhalb der DGB-Gewerkschaften dieses Haus aufgegeben. Damit ist auch in Alfeld die Idee des Gewerkschaftshauses oder des Volkshauses tot.

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Registrierungsurkunde der Militärregierung. Bauakte Stadt Alfeld (Leine)

Neugründung der SPD Alfeld am 28. August 1945 im Gasthaus „Hörsumer Tor“


Die Mitglieder freuten sich, dass sie wieder zusammenkommen konnten, um ihre Probleme zu diskutieren. Es ging um den organisierten Aufbau der Partei, vor allem aber um die gewaltigen Herausforderungen vor die die Stadt nach dem zweiten Weltkrieg gestellt wurde.


Allein die Einwohnerzahl verdoppelte sich innerhalb kürzester Zeit durch den Zuzug der Flüchtlinge und Vertriebenen.

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Die Nachkriegszeit – Gasthaus „Hörsumer Tor“ 1975. alt-alfeld

Der Name „Vereinshaus“ fand keine offizielle Verwendung mehr, was möglicherweise auch auf die mittlerweile rein kommerzielle Nutzung zurückzuführen war. Nur noch bei einigen Älteren lebt die alte Bezeichnung „Vereinshaus“ oder „Kiste“ weiter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Teil des Gebäudes als Gaststätte und der Veranstaltungssaal als Kino genutzt. Später residierte die Tanzschule Schuppmann in den Räumen, heute wird das Gebäude von der Tanzschule Pattke genutzt.

Wie aus der Bauakte der Stadt Alfeld (Leine) ersichtlich, erfolgte 1957 eine Neugestaltung der Gaststättenfenster, 1972 die Neugestaltung der Fassade. Das ist insofern bedauerlich, da damit der ursprüngliche Reiz des Gebäudes völlig verloren gegangen ist.

Burkhard Wecke