Die SPD-Fraktion im Hildesheimer Kreistag hat zusammen mit ihrem Gruppenpartner eine Initiative für eine stärkere Beteiligung Jugendlicher auf den Weg gebracht. Der eingebrachte Antrag fordert die Verwaltung auf, bis Sommer 2020 ein Konzept für die Einrichtung eines Jugendparlamentes vorzulegen.
Pascal Kubat, seit 2016 Mitglied im Kreistag und Mitglied im Ausschuss für Soziales, Jugend, Sport und Gesundheit, hat den Antrag mit entwickelt und stand für ein Interview zur Verfügung.

Interview von Sven Wieduwilt (Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hildesheim) mit Pascal Kubat (Mitglied im Kreistag).

Lieber Pascal, Du bist beruflich, aber auch in anderen Zusammenhängen in der Jugendarbeit tätig. Wie erlebst Du das politische Interesse junger Menschen?

Wenn man nach politischem Interesse fragt, haben die meisten Menschen erst mal den Bundestag oder Landtag im Hinterkopf. Für mich fängt politisches Interesse schon bei kleinen Alltagsthemen an. Bei jungen Menschen wären das hier zum Beispiel, ob ich mir die Fahrkarte zu meinem Kumpel ins nächste Dorf leisten kann, ob meine Schule umweltfreundlich ist. Dieses könnte man jetzt noch um einiges Weitere ergänzen, wobei die Themen vor allem aus der Lebenswelt der jungen Leute stammen. Und hier muss ich sagen, dass ein hohes Interesse bei jungen Menschen vorhanden ist. Aber nicht nur Interesse für verschiedene Themen ist vorhanden, sondern bei einigen erkenne ich auch immer wieder, dass sie selbst handeln und etwas verändern wollen, was ja die Königsdisziplin politischen Interesses ist.

Politisches Interesse ist bei jungen Leuten ebenso wie bei anderen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich. Aber natürlich lassen sich auch hier allgemeine Tendenzen bundesweit festhalten, die man zu vorherigen Generationen in Vergleich stellen kann. Besonders interessant ist hier noch mal der Bereich Beteiligung oder auch Partizipation genannt. Also nicht nur auf Interesse basierend, sondern auf aktives Handeln. Hier lässt sich feststellen, dass junge Leute gerne in Projektarbeit partizipieren. Vor allem weil es themenzentriert ist, was meistens der Anfang ist, sich für ein Thema genauer zu interessieren. Aber auch weil es eine Ende hat und damit zeitlich begrenzt ist. Vor allem ist mir bei der praktischen Arbeit mit jungen Menschen aufgefallen, dass zum Beispiel 14-Jährige bei den Themen, für die sie sich interessieren, echt fit sind und dazu auch Fachzeitschriften usw. lesen.

Was sich noch verändert hat, dass die gut informierten jungen Menschen gewissen Produkte von gewissen Herstellern nicht kaufen, weil sie diese z.B. aus moralischen Gründen nicht unterstützen möchten. Dieses betrachte ich, wenn es kommuniziert und zur Diskussion anregt, als klares politisches Statement. Was ich beeindruckend finde, ist dass sie nicht anderen vorgeben, wie sie zu handeln haben, sondern es für sich in ihrer eigenen Lebenswelt umsetzen, ohne den erhobenen Zeigefinger.

Wir leben in gesellschaftspolitisch spannenden Zeiten und erleben mit FridaysforFuture auch den Ansatz einer jugendpolitischen Bewegung. Ist der Antrag, der nun vorliegt, eine Antwort auf diese aktuellen Entwicklungen? Oder wie kommt es zu dieser Initiative?

Hierfür muss ich ausholen. Vor der letzten Kommunalwahl haben wir Jusos uns vorgenommen, noch mehr Juso-AGs im Landkreis zu gründen, um mehr Präsenz in der Fläche zu haben, um hier noch mehr mit den jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Aus diesen Gesprächen sind viele spannende Themen entstanden, die man auf typische Art und Weise festgehalten hat. Jedoch haben wir gedacht, dass wir das weiterführen müssen und dass es schade wäre, wenn es bei dieser Sammlung bleiben würde und haben überlegt, welche Möglichkeiten es gibt. Dann sind wir an den UB Vorstand der SPD herangetreten und haben gemeinsam überlegt, was man machen kann. Die Idee von den Jusos entstand, ein eigenes Jugendwahlprogramm zur nächsten Kommunalwahl zu haben, was auf dem UB Parteitag zur Kommunalwahl abgestimmt werden sollte. Dieses war dann auch der Fall und dieses Wahlprogramm, das von jungen Menschen erstellt wurde, wurde von der ganzen Partei mitgetragen. Eines der Themen war Jugendpartizipation und die Möglichkeit, Jugend noch mehr einzubinden in gesellschaftliche Prozesse im Landkreis Hildesheim. Ich finde, dass wir als Partei hierfür stolz sein können, diesen großartigen Prozess gemeinsam gestaltet zu haben. Dieses wurde dann auch in die Gruppenvereinbarung mit reingenommen nach der Kommunalwahl und gemeinsam mit den Gruppenpartnern ausgearbeitet bis jetzt zu diesem konkreten Antrag dann. Ich finde hier haben wir als SPD sehr gut zusammen gearbeitet und man kann hier sehen, wie wichtig es ist, dass die SPD die Jusos ernstgenommen und ihre Arbeit wertgeschätzt hat. Die Fridays for future sind natürlich positiver Rückenwind und was noch mal die Wichtigkeit dieses Antrags unterstreicht. Aber man darf eben nicht vergessen, dass der Antrag aus der Partei heraus gekommen ist und einen schon einen langen Weg hinter sich hat. Eines der zentralen Forderungen von jungen Menschen ist damals wie heute, dass wir Zukunft nicht morgen gestaltet,, sondern jetzt, die Zukunft leben wir nur morgen. Deswegen müssen wir jetzt Wege finden, junge Menschen auf unterschiedliche Art an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, sodass sie sich im Morgen auch wiederfinden.

Der Antrag spricht von einem Jugendparlament. Gleichzeitig soll ein Jugendforum organisiert werden? Reichen diese Instrumente aus, um Jugendliche stärker an politischen Prozessen zu beteiligen?

Beteiligung muss gelernt werden wie Deutsch oder Mathe, es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man Partizipation in die Wiege gelegt bekommt. Im typischen Politikunterricht bekommen wir wichtige Informationen über politische Systeme und die Bedeutung der Demokratie, was ein ganz wichtiger Grundpfeiler für Beteiligung ist. Denn ohne Wissen keine Beteiligung. jedoch welche Rechte ich z.B. konkret vor Ort habe und inwiefern ich mich als Bürger in der Kommunalpolitik einbringen kann, muss ich auch erst lernen. Hier muss die Gesellschaft Räume bereithalten, in denen diese Lernprozesse möglich sind. Das Jugendparlament soll ein ort sein, an dem sich junge Menschen selbstbestimmt politisch ausprobieren können und erste Erfahrungen in der Kommunalpolitik sammeln können. Wichtig ist hierbei, dass ihr Handeln ernst genommen wird und eine Interaktion stattfindet. Diese wird jedoch nicht die Antwort alleine auf alles sein, deswegen ist es wichtig, sich breit aufzustellen und unterschiedliche Instrumente zu entwickeln, wie sich junge Menschen im Landkreis Hildesheim einbringen können und so die Möglichkeit haben, zu partizipieren. Ein wichtiger weiterer Punkt ist für mich hier, dass zivilgesellschaftliche Beteiligung durch Vereine usw. wichtige Arbeit leisten und politische Unterstützung brauchen, um weiterhin ganz nah an der Lebenswelt der jungen Menschen zu sein. Allgemein glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir weiter denken und nicht nur einfach im Bereich Jugend aufhören. Wir müssen neue Wege und Strukturen finden für Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger. Auch hier darf sich nicht nur einer Methode bedient werden, sondern es muss zum Thema und zur Personengruppe passen. Ein gutes Beispiel hat hier die Stadt Heidelberg, die Leitlinien für Bürgerbeteiligung erarbeitet hat und ganz transparent darstellt, wer sich wie beteiligen kann und extra hierfür Anlaufstellen geschaffen hat.

Das Konzept für das Jugendparlament soll bis Sommer 2020 vorliegen. Wie ist deine (Wunsch-)Vorstellung für die zeitliche Umsetzung?

Ich glaube wichtig ist, wie du gerade schon beschrieben hast, dass wir uns jetzt auf den Weg machen und in die Diskussion gehen mit wichtigen Akteuren der Jugendarbeit, aber vor allem mit den jungen Menschen selber, wie das beste Konzept für unseren Landkreis aussehen kann. Ich glaube, dass gerade eine zeitliche Begrenzung für die Entwicklungsphase gut ist um sich hier nicht zu verlieren. Nach der Entwicklungsphase geht es dann in die praktische Umsetzung. Wie dies genau aussehen wird, soll der Prozess zeigen. Wichtig ist, dass die Jugendpartizipation im Landkreis Hildesheim auf einem guten Fundamentgebaut wird und dafür haben wir jetzt ein Jahr Zeit. Auf diesen Austausch bin ich schon sehr gespannt und freue mich auf ihn.