„Freihandel – Ziele und Auswirkungen“ – zu dieser Veranstaltung hatte der SPD-Gemeindeverband Holle für den 27. Oktober 2014 eingeladen. Im gut besuchten „Glashaus“ diskutierten Bernd Lange MdEP, Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Maritta Strasser, Campact, und Kai Greten, Geschäftsführer von Fagus-GreCon GmbH & Co. KG, über die transatlantischen Handelsabkommen TTIP und Ceta. Simone Flohr, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Sillium, moderierte die Veranstaltung.

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Kritik vor allem an dem geplanten TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA gibt es zur Zeit aus vielen Richtungen. Sie reicht von mangelnder Transparenz im Verfahren, möglichen Verschlechterungen im Umwelt-und Verbraucherschutz bis hin zu dem Vorwurf, dass demokratische Grundrechte durch die Investorenschutzklausel und den damit verbundenen Schiedsgerichten untergraben werden. Aber sind diese Kritikpunkte begründet? Wie groß ist die Gestaltungsmöglichkeit des Europäischen Parlaments? Und inwiefern könnte unsere regionale Wirtschaft von solchen Freihandelsabkommen profitieren? Könnten entsprechende Abkommen negative Auswirkungen für die Kommunen haben?

Bernd Lange MdEP griff zunächst den Kritikpunkt der mangelnden Transparenz auf und betonte, dass es bei der Europäischen Kommission mittlerweile ein Umdenken in dieser Frage gebe. Das Verhandlungsmandat für TTIP wurde mittlerweile veröffentlicht und ist für jeden im Internet zugänglich.

Gleichzeitig wies er darauf hin, dass er eigentlich nicht über Frei-Handel diskutieren wolle, das reiche nicht aus. Vielmehr ginge es aus seiner Sicht um „fairen Handel“. Er skizzierte den Spagat zwischen der Verbesserung von Wettbewerbsvorteilen für deutsche und europäische Unternehmen und der Einforderung von Arbeitnehmerrechten und Umweltschutzstandards. Gleichzeitig gebe es aber bei den Verhandlungen rote Linien. Hierzu gehöre unter anderem die Einführung von außergerichtlichen Schiedsstellen. Es werde kein Abkommen unterschrieben, in dem außergerichtliche Schiedsstellen enthalten sind – eine Position, die im Rahmen der Veranstaltung durchweg auf Zustimmung stieß.

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Kai Greten stellte in der Diskussion die Situation seines Unternehmens dar. Er beschrieb die Exporttätigkeit in die USA und wies in dem Zusammenhang auf entsprechende Probleme wie Zoll oder erforderliche und kostenintensive Zertifizierungen hin. Er machte dabei für sein Unternehmen deutlich, dass sie sich durchaus barrierefreien Handel wünschen, allerdings nicht um jeden Preis. Die Verhandlungsergebnisse müssten intensiv geprüft werden.

Maritta Strasser betrachtete in ihrem Eingangsstatement noch einmal die Begründung für die transatlantischen Freihandelsabkommen. Sie wies daraufhin, dass die ursprüngliche Begründung die Schaffung von Arbeitsplätzen gewesen sei. Aktuelle Untersuchungen zeigten jedoch, dass nur minimale Beschäftigungseffekte zu erwarten seien, andere Untersuchungen sogar einen Wegfall von Arbeitsplätzen prognostizierten. Außerdem stellte sie die Position, die Abkommen würden eine Regulierung der Globalisierung ermöglichen, in Frage. Das Gegenteil sei der Fall, denn Streitbeilegungsmechanismen und andere Instrumente der Abkommen würden die Gestaltung der Globalisierung eher erschweren. Maritta Strasser wies außerdem darauf hin, dass von den transatlantischen Abkommen eine Gefährdung für die Kommunen und die kommunale Daseinsvorsorge ausginge, diese aber noch nicht einmal an den Verhandlungen beteiligt seien.

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Bernd Lange stimmte zu, dass die Handelsabkommen auf die wirtschaftliche Entwicklung nur homöopathische Wirkung hätten. Wenn man mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa erreichen wollte, bedürfte es einer anderen makroökonomischen Politik in Europa. Im Hinblick auf den Erhalt der Dienstleistungen von öffentlichem Interesse und damit der öffentlichen Daseinsvorsorge machte er deutlich, dass der Europäischen Kommission bei dieser Frage genau auf die Finger geschaut werde. Man werde nicht zulassen, dass das System der kommunalen Daseinsvorsorge, wie es in Deutschland und Europa etabliert ist, infrage gestellt werde. Es gelte, eine klare Kante bei der Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge zu zeigen. Im Zweifel hätte das Europäische Parlament durchaus die Möglichkeit, das Abkommen abzulehnen.

Zum Abschluss unterstrich Bernd Lange, dass der Start der neuen Europäischen Kommission und die anstehenden Wahlen in den USA der Zeitpunkt sei, Bilanz zu ziehen und zu diskutieren, in welche Richtung es weitergehen könne. Er plädierte für eine kritische Begleitung der Verhandlungen, gleichzeitig warb er dafür, nicht die Europäische Union und ihre demokratische Verfasstheit in Frage zu stellen.

Simone Flohr und Sven Wieduwilt, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Grasdorf-Luttrum, die gemeinsam die Veranstaltung initiiert und organisiert hatten, zeigten sich mit der Veranstaltung sehr zufrieden. Die rege Beteiligung des Publikums an der Diskussion, mache deutlich, dass Europapolitik auch in ländlichen Gemeinden heiß diskutiert wird. „Es war richtig, dieses Thema aufzugreifen, und zu der spannenden Diskussion einzuladen. Ebenso bleibt es wichtig, in den kommenden Wochen und Monaten den Prozess weiterhin kritisch zu begleiten.“