Wenn mich jemand fragt: „Was fällt Dir spontan zu Europa ein?“ dann ist meine Antwort: „Frieden und Freizügigkeit“. Vielleicht liege ich damit nicht im Trend, aber meine Einstellung zur Europäischen Union ist prinzipiell positiv. In den Medien und in Diskussionen taucht Europa sehr oft nur in negativem Kontext auf, das finde ich bedauerlich, weil das natürlich die öffentliche Wahrnehmung von Europa prägt.

„Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“ – hat Willy Brandt mal gesagt. Wir leben jetzt seit über 60 Jahren in Frieden. Ein friedliches und sicheres Lebens zu führen ist schon so normal geworden, dass es allgemein für selbstverständlich gehalten wird. DAS IST ES ABER NICHT! Frieden ist ein zerbrechliches Gut und muss fortwährend neu erarbeitet und verteidigt werden. Wie schnell sich eine friedliche nachbarschaftliche Lebenswirklichkeit in eine hasserfüllte Gewaltorgie wandeln kann haben wir zum Beispiel auf dem Balkan gesehen – und jetzt aktuell an der Ukraine. Wirtschaftliche Entwicklung und Verbesserung der Lebensstandards sind ohne Frieden nicht möglich.

Der Europäischen Union wurde 2012 der Friedensnobelkreis verliehen. Hier eine Passage aus der Begründung des Nobelkomitees:“Das norwegische Nobelkomitee wünscht den Blick auf das zu lenken, was es als wichtigste Errungenschaft der EU sieht: den erfolgreichen Kampf für Frieden und Versöhnung und für Demokratie sowie die Menschenrechte; die stabilisierende Rolle der EU bei der Verwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege zu einem des Friedens.“

Wir bestimmen am 25.05.2014 die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament ist nicht „die EU“ im Ganzen. Es ist eins der verschiedenen Organe der europäischen Union. Viele der Negativschlagzeilen der letzten Jahre haben nichts mit dem Parlament zu tun, leider wird immer alles in den Topf „EU“ geworfen. Zum Beispiel die umstrittene Umarbeitung der Trinkwasserrichtlinie – das war eine Idee der Kommission. „Kein Olivenöl in offenen Kännchen“ wurde auch von einem Kommissar gefordert. Das Parlament ist nicht an der „Troika“ und ihren Maßnahmen und Forderungen beteiligt. Alle Anstrengungen des Parlaments für eine Finanztransaktionssteuer werden von den Regierungschefs und Regierungschefinnen blockiert. Die Entscheidung zum Genmais vor ein paar Wochen traf allein der Rat, der die Regierungen der Mitgliedstaaten repräsentiert. Und diese Liste lässt sich fortsetzen. Niemand sollte sich dazu verleiten lassen, den Unmut an diesen Entscheidungen an der Europawahl und damit am europäischen Parlament auszulassen.

Die Befugnisse des europäischen Parlaments sind im Laufe der Jahre zwar gestiegen, besonders seit dem Lissabon Vertrag von 2009. Aber das Parlament darf immer noch keine Initiativen starten, kann die Kommission nicht beauftragen oder kontrollieren. Das Europäische Parlament muss werden, was es sein soll: eine starke, einflussreiche, gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger Europas. Wir brauchen ein starkes Europäisches Parlament mit überzeugten Demokraten und Europäern, die die Rechte des Parlaments weiter ausbauen wollen und die Europa zum Wohle aller voranbringen wollen. Da wäre es doch wirklich paradox, Europaskeptiker dort hineinzuwählen oder nationalorientierte Rechtspopulisten. Und mit dieser Wahl haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit, indirekt auch den Kommissionspräsidenten zu bestimmen. Martin Schulz, der Spitzenkandidat aller europäischen Sozialdemokraten, würde die Arbeit der Kommission entscheidend beeinflussen.

Die SPD tritt an mit dem Anspruch, vieles ändern zu wollen, vieles anderes machen zu wollen als die jetzige konservative Mehrheit auf EU-Ebene. Vor dem Hintergrund ist das Wahlkampfmotto der SPD klar: EUROPA NEU DENKEN. Widersinning ist da aber, dass die konservativen Parteien ebenfalls davon sprechen, dass sich etwas ändern muss, dass das Regulieren von Kleinigkeiten aufhören muss. Wer hatte noch mal die Mehrheit in den letzten Jahren? Genau, sie selber. Sie haben in den Jahren nichts in die Richtung unternommen, schimpfen auf „die EU“ und tun jetzt so, als hätten sie damit nichts zu schaffen.

Meine Bitte: Unterstützen Sie die europäische Idee von Völkerverständigung und friedlichem Miteinander aller Nationen, bedenken Sie die Vorteile, die Europa für jede einzelne Person mit sich bringt. Diese europäische Idee darf nicht an Bürokratie, an Regulierungswahn und an der Fixierung auf das Finanzielle ersticken - aber auch nicht aus Desinteresse einschlafen.

Für Europa. Für eine starkes europäisches Parlament. Für Martin Schulz.