Die Debatten um personelle Unterstützungen im Schulalltag sind nicht neu: Unterstützung durch Verwaltungskräfte und die Schaffung von Freiräumen für pädagogische Arbeit, die Stärkung der Schulsozialarbeit und andere Punkte. Während andere Staaten und Bundesländer den Ausbau des Schulgesundheitssystems diskutieren und auf den Weg bringen, hat dieses Thema die schulpolitische Diskussion in Niedersachsen noch nicht erreicht. Es wird Zeit hierfür. Der Landkreis Hildesheim sollte Vorreiter werden.

Andere Staaten sind hinsichtlich des Ausbaus des Schulgesundheitssystems und der Verzahnung von Schule und Gesundheit weiter: In Skandinavien, Frankreich und anderen Staaten ist diese Verzahnung von Schule und Gesundheit durch „Schulkrankenschwestern“ bereits lange etabliert. Aber auch andere Bundesländer haben sich auf den Weg gemacht. Zu nennen sind hier Brandenburg und Hessen und deren Teilnahme an dem Pilotprojekt „Einführung von schuleigenen Pflegefachkräften.“

Der Ansatz ist genau richtig. Man weiß um die gesundheitlichen Probleme von Schülerinnen und Schülern: u.a. Entwicklungsdefizite, psychische Störungen, chronische Krankheiten.

„Der Blick auf die Entwicklungschancen jedes Kindes ist das zentrale Element einer Pädagogik der Vielfalt und Ermutigung.“ – so der Koalitionsvertrag „Erneuerung und Zusammenhalt. Nachhaltige Politik für Niedersachsen.“ von SPD und Bündnis90/Die Grünen in Niedersachsen in dem Kapitel über Inklusion. Aber dieser Anspruch darf nicht alleine auf den engen Bereich der Inklusion nach UN-Konvention bezogen sein und bleiben. Es muss der generelle Anspruch an Bildung und Bildungsgerechtigkeit sein. Zu Recht hat die SPD-Landtagsfraktion 2014 ihren Ansatz weitergefasst – allerdings auch in Bezug zur damals auch öffentlich intensiv geführten Debatte um die Erfordernisse der Inklusion von Kindern mit Handicap: „Wir diskutieren das Thema viel mehr, weil es dem sozialdemokratischen Gesellschafts- und Menschenbild entspricht. Ziel sozialdemokratischer Politik war und ist gesellschaftliche Emanzipation und Partizipation mit dem Ziel, den einzelnen Menschen in die Lage zu versetzen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das ist unser Antrieb, die ,Inklusive Gesellschaft auf die politische Tagesordnung zu setzen.“

Gesellschaftliche Emanzipation und den Menschen befähigen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen: Wenn wir diesen (sozialdemokratischen) Anspruch ernst nimmt, müssen wir auch den Gesundheitsaspekt mit in die schulpolitische Debatte einbinden. Schuleigene Pflegefachkräfte, die Schulkrankenschwestern bzw. „school nurses“ könnten hierauf die richtige Antwort sein. Und die Diskussion in der Fachszene läuft hierzu bereits.

Zu den Aufgaben

In den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. (DGSPJ) zum Ausbau des Schulgesundheitssystems durch „school nurses“ in Deutschland vom Februar 2015, die von Gabriele Ellsäßer, Bettina Langenbruch und Ulrike Horacek formuliert wurden, wird auch das Aufgabenspektrum von Schulgesundheitsschwester beschrieben.

„Das Aufgabenspektrum der Schulgesundheitsschwester umfasst:

  • pflegerische und medizinische Unterstützung chronisch kranker und behinderter Schüler bei der Umsetzung der Inklusion (4) in Schulen (wie personenbezogene Maßnahmen der Grund- und Behandlungspflege, Verabreichung von Medikamenten);
  • Brückenfunktion zu Gesundheitsversorgungseinrichtungen außerhalb von Schule;
  • erste Ansprechpartnerin bei Unfällen, Krankheitszwischenfällen oder auch akut auftretenden Erkrankungen;
  • erste Ansprechpartnerin und Vertrauensperson („Kümmerer“) für Schüler zu allen Fragen körperlicher und psychischer Gesundheit ;
  • Durchführung von Screening-Untersuchungen im Zusammenarbeit mit dem Schularzt des ÖGD
  • im Sinne von Public Health Gesundheitsbeobachtung der Schülerschaft, Analysen zu spezifischen Bedarfen mit Handlungsempfehlungen zu Maßnahmen;
  • Entwickeln, Anstoßen und Begleiten von Gesundheitsförderangeboten, die am Bedarf in der jeweiligen Schule ansetzen;
  • interdisziplinäre Zusammenarbeit (innerhalb von Schule) und Kooperation mit Partnern außerhalb: Garant für und Akteur in Vernetzung.“

(Horacek, Ulrike/Ellsäßer, Gabriele/Langenbruch, Bettina, Empfehlungen zum Ausbau des Schulgesundheitssystems durch „school nurses“ in Deutschland. Schulgesundheitsschwestern (SGS) in Deutschland, http://www.dgspj.de/wp-content/uploads/service-stellungnahmen-schulgesundheitsschwestern-januar-2015.pdf)

Die Schulkrankenschwester wäre „Brücke zwischen Gesundheit und Bildung“ (ebd.).

Der Landkreis Hildesheim als Vorreiter

Der Landkreis Hildesheim war bereits an anderer Stelle Vorreiter, wenn es um die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Entwicklung unserer Kinder ging. Wir erinnern an der Stelle an PiaF - Prävention in aller Frühe, das als Modellprojekt gestartet war und mittlerweile bundesweites und anerkanntes Vorzeigeprojekt ist.

Wir wollen, dass der Landkreis Hildesheim auch bei dem Thema Schulgesundheit eine Vorreiterrolle einnimmt und mit einem Modellprojekt „Schulkrankenschwestern“ an zwei Schulen die Brücke zwischen Gesundheit und Bildung im Interesse unserer Kinder und Enkelkinder übernimmt.

Dabei ist klar, dass es derzeit nicht mehr als ein Modellprojekt sein kann. Wir werden nicht in der Lage sein, dieses Modell aus eigener Kraft auf alle Schulen in der Trägerschaft des Landkreises zu übertragen. Aber das Modellprojekt kann zeigen, dass es funktioniert – und vor allem: wie es im Schulalltag funktionieren kann. Damit kann dann auch die Debatte über die Finanzierung geführt werden. Dabei ist sicherlich auch die Landespolitik gefragt und in die Verantwortung zu nehmen. Auch das Job-Center sollte in die Finanzierung einbezogen werden.

Wir werden unsere Vertreterinnen und Vertreter in den landespolitischen Gremien bitten, die Diskussion dorthin zu tragen und hierfür zu sensibilisieren.

* Klaus Bruer, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, Sven Wieduwilt, stellv. Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion und des SPD-Unterbezirks Hildesheim