Eine Bilanz der ersten zwei Jahre rot-grüner Landesregierung, die anstehenden Änderungen der Niedersächsischen Kommunalverfassung und die Bedeutung der Fachhochschulen sind die Schwerpunkte des folgenden Interviews mit Bernd Lynack MdL.
Das Interview erschien zuerst in der Ausgabe 4/2014 des Rundbriefes des SPD-Ortsvereins Grasdorf-Luttrum. Die Fragen stellte Sven Wieduwilt, stellv. Unterbezirksvorsitzender und Vorsitzender des Ortsvereins Grasdorf-Luttrum.

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Sven Wieduwilt

Seit 2013 regiert die SPD in Niedersachsen, in wenigen Wochen wird der zweite rot-grüne Haushalt auf den Weg gebracht. Wie ist die politische Bilanz?

Ich bin mit der Bilanz sehr zufrieden. Trotz des desolaten Haushalts, den wir von schwarz-gelb übernommen haben und trotz des immer kleiner werdenden Spielraums, den uns die Schuldenbremse lässt, ist es gelungen, einen echten Politikwechsel umzusetzen. Das wird in keinem Bereich so deutlich, wie bei der Kultuspolitik. Mit der ‚Zukunftsoffensive Bildung‘ legen wir ein Investitionsprogramm für frühkindliche Bildung, Ganztagsschulen und Inklusion auf, das seinesgleichen sucht. Gleichzeitig fahren wir auch die Neuverschuldung weiter zurück, um ab 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können. Für uns ist aber auch klar, dass nicht an Zukunft und an der Substanz des Landes gespart werden darf. Deshalb legen wir großen Wert darauf, weiter in die Bereiche Bildung und Infrastruktur zu investieren. Man kann also sagen: SPD und Grüne setzen unter schwierigen Bedingungen klar politische Akzente. Das haben uns nach der Wahl viele mit unserer Ein-Stimmen-Mehrheit nicht zugetraut.

Weitere Höhepunkte der ersten Monate im Landtag waren für mich darüber hinaus die Abschaffung der Studiengebühren, die wir ebenfalls in voller Höhe den Hochschulen gegenfinanziert haben, sowie der Paradigmenwechsel in der Flüchtlings- und Ausländerpolitik.

Du bist Mitglied im Innenausschuss des Landtages. Auf der Agenda steht u.a. die Reform der Kommunalverfassung. Was erwartet uns?

An der Reform des Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz wird zur Zeit noch kräftig gearbeitet. Ich gehe davon aus, dass die Änderungen in der ersten Jahreshälfte in die parlamentarische Beratung gehen werden. Erste gravierende Änderungen haben wir bereits im ersten Jahr der Legislaturperiode umgesetzt: Die Synchronisation der Amtszeiten der Hauptverwaltungsbeamten, also den (Ober-)BürgermeisterInnen und LandrätInnen, mit den der Räte und Kreistage, sowie die Wiedereinführung der Stichwahlen.

Mit der jetzt anstehenden Novellierung werden wir die verbleibenden Zusagen unseres Wahlprogramms umsetzen. Dies betrifft die Stärkung der Gleichstellung, die Verbesserung der Beteiligung von Jugendlichen und SeniorInnen und die Absicherung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen, gerade auch im Hinblick auf die Energiewende.

Dein zweiter Schwerpunkt ist die Arbeit im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur. Die SPD-Fraktion hat im Sommer das Fachhochschulentwicklungsprogramm durchgesetzt. Welche Bedeutung haben die Fachhochschulen? Warum diese Schwerpunktsetzung?

Den Fachhochschulen kommt in unserer heutigen wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft eine entscheidende Rolle zu. Zum einen helfen sie mit ihrer praxisnahen Qualifikation dem Bedarf an Fachkräften nachzukommen. Zum anderen eröffnen sie vielen Menschen mit einer beruflichen Qualifikation die Chance auf Weiterbildung. Wir werden deshalb ein Programm für die Entwicklung von Fachhochschulen auflegen und die Kapazitäten weiter ausbauen. Das bedeutet u.a. bestehende Standorte wie z.B. auch Hildesheim auszubauen und zusätzlich neue Studiengänge aufzubauen. Dabei spielen insbesondere Studiengänge im Pflege- und Gesundheitsbereich eine große Rolle. Darüber hinaus soll die Forschung an den Hochschulen nachhaltig gestärkt werden.

Die SPD Niedersachsen hat den Diskussionsprozess „Arbeit – Bildung – Niedersachsen“ gestartet. Wie bewertest Du diese Diskussion? Welchen Stellenwert hat die Verzahnung von Arbeit, Wirtschaft und Wissenschaft hierbei?

Es ist richtig, dass wir die Themen Arbeit, Bild und Wirtschaft stärker miteinander verbinden. Die SPD setzt oft auf soziale, bildungs- und arbeitspolitische Themen. Für diese Themen hat sie in der Bevölkerung hohe Kompetenzwerte und großen Rückhalt bei ihren Positionen. Allerdings spielt gerade auf Bundesebene das Thema Wirtschaft in der öffentlichen Debatte eine große Rolle. Es liegt nun an der SPD zu zeigen, dass ihre gute Politik für Bildung, Soziales und Daseinsvorsorge gleichzeitig auch gute Wirtschaftspolitik ist. So zahlen sich Investitionen in die Bildung und die Infrastruktur, also z.B. in die Straßen, mittel- bis langfristig aus. Das schafft und sichert Arbeitsplätze. Auch vom Mindestlohn gehen starke wirtschaftliche Impulse aus. Selbst wenn es Union und Arbeitgeber oft andersherum darstellen. Wer zwischen 8 und 10 Euro in der Stunde bekommt und vom Mindestlohn profitiert, der sitzt nicht auf seinem zusätzlichen Geld, sondern gibt es aus. So wird die Inlandnachfrage gestärkt. Das ist wichtig, wenn wir unsere deutsche Wirtschaft weiterhin stabil halten wollen und das Ungleichgewicht bei der Außenhandelsbilanz korrigieren wollen.

Einen Schritt zurück: Kulturpolitik. Was macht sozialdemokratische Kulturpolitik aus?

Kultur ist ein Bereich der leider oft ganz oben auf der Liste steht, wenn Kommunen oder auch Bund und Länder den Rotstift ansetzen müssen. Das hat fatale Folgen. Ohne Kultur gibt es keine Bildung, ohne Bildung keine Kultur. Sozialdemokratische Kulturpolitik bedeutet für mich in erster Linie immer auch Teilhabe. Teilhabe für alle Menschen. Egal, ob 'Hochkultur', oder Soziokultur. Beides ist wichtig. Beides muss nebeneinander bestehen können. Beides muss jeder und jedem, unabhängig von Vorbildung, Alter und Herkunft, zugänglich sein.

Gerade die Soziokultur, wie z.B. die Kulturfabrik Löseke bei uns in Hildesheim, bietet ein unglaublich weitgefächertes Programm und spricht damit ganz verschiedene gesellschaftliche Gruppen an. Darüber hinaus ist Kultur auch immer für den ländlichen Raum ein Standortvorteil, wenn es darum geht z.B. junge Familien nicht an die Städte ‚zu verlieren‘. Kultur ist und bleibt für uns öffentliche Daseinsvorsorge.

Zuletzt: Wie ist Dein persönlicher Eindruck der Landtagsarbeit nach etwas mehr eineinhalb Jahren Landtagsabgeordneter?

Es macht mir unglaublich viel Spaß Dinge voranzubringen und Politik gestalten zu können, im Großen wie im Kleinen. Jeden Tag, den ich in der Regierungskoalition arbeiten darf, kann ich den Satz von Franz Müntefering ‚Opposition ist Mist‘ besser nachvollziehen. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass vor allem der Umgangston in den Landtagssitzungen für mich zunächst etwas gewöhnungsbedürftig war. Es herrscht mitunter ein scharfer Ton und es wird sich zwischen den Lagern nichts geschenkt. Damit habe ich mich arrangiert, solange alles seine Grenzen hat, kann das der Demokratie auch gut tun.

Nach wie vor am wichtigsten sind mir die 'kleinen' Dinge, die den Menschen hier vor Ort im Wahlkreis unter den Nägeln brennen. Die Begegnungen in den Vereinen, Verbänden, Betrieben, in meinen Sprechstunden, oder einfach beim Eis essen auf dem Hildesheimer Marktplatz. Hier nehme ich viel mit für meine politische Arbeit und kann manchmal auch dabei behilflich sein, ein 'kleines, großes' Problem zu lösen.

Die vollständige Ausgabe des Rundbriefes finden Sie hier: http://www.spd-holle.de/imperia/md/content/bezirkhannover/gvholle/rundbriefovgrasdorf-luttrum/rundschreiben_2014_4.pdf