Wer Henning Scherf zu einer Veranstaltung einlädt, muss viel Zeit einplanen. Das war auch Bernhard Brinkmann bekannt und so schmunzelte der Bundestagsabgeordnete nur, als der frühere Bremer Bürgermeister im Hotel Kronzprinz in Bad Salzdetfurth von Tisch zu Tisch ging, jeden einzelnen Besucher mit Handschlag begrüßte und sich zwischendurch sogar zu einem kleinen Plausch niederließ.

Immerhin 150 Menschen, überwiegend Senioren, waren gekommen, um den 71-Jährigen, der seit 20 Jahren gemeinsam mit seiner Frau und acht Freunden in einer „Alten-WG“ in Bremen lebt, zu erleben. Sie wurden nicht enttäuscht. Mit einem Mikrofon mitten zwischen den Besuchern stehend, erzählte Henning Scherf persönlich und locker von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Altwerden und plädierte vor allem für Mut und Zuversicht. Teilhaben am Leben, sich nicht ausgrenzen lassen oder gut gemeinte, von außen verordnete „Schonung“ annehmen, dafür warb Scherf mit seiner rundum positiven Ausstrahlung. Ganz still wurde es im Saal, als der Bremer von seinem alten Freund Walter Jens berichtete. Der frühere politische Streiter und Rhetorikprofessor aus Tübingen lebt seit Jahren im Zustand der Demenz, aber selbst dieser Situation konnte Henning Scherf etwas Positives abgewinnen. „Er weiß seinen Namen nicht mehr, aber er ist glücklich, wenn er im Garten werkeln kann. Er kann seine Bücher nicht mehr lesen, aber sie anfassen“, erzählte Scherf.
Während der Jahre, in denen die Wohngemeinschaft nun schon beisammen sei, hätten die Mitbewohner viele wichtige Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel, dass es möglich sei, einen Schwerkranken zu pflegen, wenn die Betreuung auf viele Hände aufgeteilt werde. „Alleine geht man daran kaputt, aber mit zehn Leuten geht das“ so Scherf. Kinder und Enkel der Hausbewohner seien oft und gerne zu Gast, berichtete Henning Scherf und man kauft dem 71-Jährigen sofort ab, dass er mit großer Begeisterung auf dem Boden sitzt und Eisenbahn spielt.
Für gemeinschaftliche Wohnprojekte in möglichst vielen Städten und Gemeinden zu werben, ist ein großes Anliegen des Juristen und früheren Spitzenpolitikers. „Auch nach Bad Salzdetfurth würde so etwas gut passen“, sagte er mit Blick aus dem Fenster auf die schönen Fachwerkhäuser.